Seit einigen Jahren erfreuen sie sich immer mehr Beliebtheit – High-Protein Produkte. Also alltägliche Lebensmittel, welche mit einem erhöhten Eiweißgehalt hergestellt werden. Mittlerweile könnte man fast seine gesamten Essgewohnheiten auf High-Protein Lebensmittel umstellen, ohne auf etwas verzichten zu müssen. Es gibt Nudeln, Müsli, Aufstriche (auch süße Aufstriche wie Haselnusscreme), Brotbackmischungen, Joghurts, Schokolade und Eiscreme, Chips und sogar Wasser und Bier – ja ihr habt richtig gelesen, es gibt Protein-Wasser und Protein-Bier. Letzteres hatte sogar in einer bekannten Fernsehsendung nach geldwilligen Sponsoren Ausschau gehalten. Hierbei stellt sich jedoch die Frage: Sind all diese Produkte wirklich notwendig und wer profitiert von ihnen? Und um es gleich vorweg zu nehmen – die Profiteure sind keinesfalls die Konsumenten!

Warum gibt es diese Produkte?

Wer Muskulatur aufbauen will, benötigt Proteine. Das ist allseits bekannt. Und wer noch mehr und noch schneller Muskulatur aufbauen möchte, benötigt auch deutlich mehr Proteine! Getreu dem Motto: „Viel hilft viel“. Da ist es von Seiten der Industrie nur logisch, alltägliche Lebensmittel mit ordentlich Eiweiß angereichert auf den Markt zu bringen und diese für den doppelten Preis anzubieten. Vor einigen Jahren ist mir dies zum ersten Mal deutlich aufgefallen. Ich wollte von einer bekannten Knäckebrot-Marke mein übliches Sesamknäcke kaufen. Dabei entdeckte ich eine neue High-Protein Variante, natürlich für mehr als den doppelten Preis. Als ich die beiden Lebensmittel mit einander verglichen habe stellte ich fest, das meine übliche Sesamvariante mehr Proteine enthielt als die neue High-Protein Mischung. Dieses „Phänomen“ findet man bei vielen anderen Produkten wieder. Viele dieser Lebensmittel liefern bereits sehr gute Mengen an Proteinen und haben diese Art von „Tuning“ gar nicht notwendig. Aber in einer Gesellschaft, die immer auf der Suche nach neuen Methoden zur Selbstoptimierung ist, kommen solche Produkte natürlich super an. Wozu sollte man an einer gesunden und ausgewogenen Ernährung als Sportler arbeiten, wenn man seine Chips, Schokolade und Bier auch als High-Protein Variante genüsslich weiter verzehren kann?

Wer braucht so viele Proeine?

Kurz gesagt – niemand. In den europäischen Ländern gibt es keinen Proteinmangel. Hierfür müsste man sich schon extrem einseitig von nur wenigen Nahrungs- und Lebensmitteln ernähren oder an extremer Unterernährung leiden (Krankheiten und Unverträglichkeiten bilden hier jedoch eine Ausnahme). Schaut man auf die Seite der DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.), werden einem Erwachsenen mit ca. 5 h Sport/Woche keine erhöhten Mengen an Proteinen empfohlen. Hierbei reichen dann 0,8 g/kg Körpergewicht. Für Sportler mit einem sehr hohen Leistungsstand und vielen Trainingseinheiten pro Woche werden 1,2 g2 g/kg Körpergewicht empfohlen. Meiner Erfahrung nach kommen die meisten Hobbysportler aber auf deutlich weniger als 5 h Sport pro Woche. Somit reichen die empfohlenen 0,8 g/kg Körpergewicht vollkommen aus. Hier sind dann also weder Eiweißshakes noch High-Protein Lebensmittel notwendig. Viel wichtiger als eine erhöhte Proteinzufuhr ist immer noch ein gut angepasster Trainingsplan mit immer wechselnden Intensitäten und kontinuierlicher Steigerung der Gewichte oder Belastungszeiten. Immer nur das Gleiche zu trainieren und durch mehr Proteine mehr Muskulatur aufzubauen, wird nicht funktionieren.

Hobbysportler benötigen also keine erhöhte Zufuhr an Proteinen. Dennoch gehen viele eben diesen Schritt, weil sie denken: Viel hilft Viel. Und wer hat heutzutage schon ausreichend Zeit, ein langfristiges Ziel zu erreichen. Je schneller, desto besser natürlich. Aber ob es nun wirklich notwendig ist, bei 1-2 Trainingseinheiten pro Woche mehr Geld für Nahrungsergänzung oder High-Protein Lebensmittel auszugeben, als das Fitnessstudio im Quartal kostet, muss jeder für sich selber entscheiden.

Hier findet ihr meine Top 5 der pflanzlichen Proteinquellen.
Können zu viele Proteine schaden?

Ja, das können sie. Vor allem den Nieren. Proteine werden zu Harnstoff umgewandelt und über die Nieren und somit den Urin ausgeschieden. Fällt hierbei zu viel Harnsotff an, können die Nieren auf Dauer Schaden nehmen. Daher ist es immer wichtig, ausreichend zu trinken, damit die Nieren auch weiterhin gut „durchspült“ werden. Ein erstes Anzeichen für eine zu hohe Proteinzufuhr kann ein schlechtes Hautbild (Akne) sein. Dies tritt sehr häufig am Rücken, Brustbereich und den Armen auf.

Ebenso werden überschüssige Proteine als Fett eingelagert und können zu Übergewicht und den damit verbundenen Folgekrankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Das „Heiligste“ der Deutschen sind wohl noch immer Schnitzel und Bratwurst. Da ist es wohl kein Zufall, dass mehr als 50 % der Erwachsenen in Deutschland an Übergewicht leiden. Zu viele Proteine und zu wenig Bewegung … (Quelle). Natürlich spielen noch viele andere Faktoren eine Rolle für Übergewicht (Herkunft, soziales Umfeld, finanzielle Absicherung, mentale Verfassung, Bewältigung von Stress und Traumata usw.). Die Ernährung ist hierbei nur ein Faktor.

Auch Menschen mit einer bereits geschädigten Leberfunktion (Übergewicht, Alkoholismus) sollten auf ihre Proteinzufuhr achten. Hierbei kann ebenfalls zu viel Ammoniak gebildet werden. Auch dies schadet dann den Nieren und der Leber.

Der gesunde Mittelweg!

Auch ich trinke hin und wieder einen Proteinshake. Vor allem dann, wenn er eine Mahlzeit ersetzen soll, ich wenig Zeit zum Essen habe oder einfach nur keine Lust habe, mir etwas zuzubereiten. Vor und nach jedem Training einen Proteinshake zu trinken, wie es mir zu Beginn meiner Kraftsportzeit von verschiedenen Trainern empfohlen wurde, ist jedoch absolut überflüssig. Ebenso überflüssig sind die meisten dieser angereicherten Produkte. Unsere alltäglichen Lebensmittel liefern bereits ausreichende Mengen an Proteinen und kommen in fast jeder Ernährungsweise vor. Brot und Knäckebrot (Vollkorn), Haferflocken, verschiedene Getreidesorten, Nüsse und Samen liefern enorm hohe Mengen. Auch wenn ich mich rein pflanzlich ernähre, möchte ich an dieser Stelle Fisch und Fleisch nicht unerwähnt lassen.

Die Fitnessindustrie hat ihren besten Absatz immer bei denen, welche sich am wenigsten auskennen. Erfahrene Sportler kennen die benötigten Proteinmengen und setzen lieber auf eine gesunde Ernährung statt High-Protein Fast Food und Bier. Sportanfänger wollen jedoch immer schnelle Erfolge erzielen und das nicht zu selten um jeden Preis. Für die Firmen ist das der absolute Jackpot und hier möchte schließlich jeder sein Stück vom Kuchen abhaben. Wenn ihr also das nächste Mal im Supermarkt seid und wieder zu einem High-Protein Produkt greifen wollt, dann schaut euch auch seinen eventuell weniger proteinreichen, aber immer noch ausreichenden Verwandten an und natürlich auch den Preis. Es wird sich lohnen!

In diesem Sinne – Sport frei!