Wenn es um körperliche Bewegung geht, denken viele sofort an den Aufbau von Muskeln. Auch in den sozialen Medien und in verschiedenen Zeitschriften dreht sich Vieles nur um unsere Muskulatur. Eine definiertere Bauchmuskulatur, kräftigere Arme, die besten Übungen für den Muskelaufbau oder verschiedene Challenges (Herausforderungen), wer in welcher Zeit die meiste Muskulatur aufgebaut hat. Hierbei wird jedoch oft vergessen, dass unser Körper eben nicht nur aus Muskeln besteht. Denn während des Trainings werden auch alle anderen Strukturen im Körper automatisch belastet. Diese Strukturen sind für ein verletzungsfreies und leistungssteigerndes Training enorm wichtig.

Aktiver und passiver Bewegungapparat

Der menschliche Körper setzt sich aus dem aktiven und passiven Bewegungsapparat zusammen. Diesen benötigen wir für die Körperspannung, Körperhaltung und natürlich auch für jede einzelne Bewegung. Demnach ist es unmöglich, während eines Trainings ausschließlich die Muskulatur zu trainieren. Es werden auch immer alle anderen Strukturen unseres Körper mittrainiert.

Aktiver Bewegunsapparat

  • dient hauptsächlich der Bewegung und der Körperhaltung
  • setzt sich aus der Muskulatur und ihren „Hilfsorganen“ zusammen (Sehnen, Sehnenscheiden, Faszien, Schleimbeutel)
  • hat eine schnelle Anpassungsgeschwindigkeit an neue Belastungen

Passiver Bewegunsapparat

  • dient als Stützelement für den menschlichen Körper
  • besteht aus Gelenken und Knorpeln, Knochen, Bändern und Bandscheiben
  • hat eine sehr langsame Anpassungsgeschwindigkeit an neue Belastungen

Viel mehr möchte ich an dieser Stelle auch nicht ins Detail gehen, denn mir geht es um eine ganz andere Sache!

Kräftige Muskeln, aber schmerzender Körper?

Was nützen dir 150 kg auf der Bank, wenn dir danach immer die Handgelenke wehtun? Was nützen dir breite Schultern, wenn du deine Arme nichtmal richtig über den Kopf heben kannst? Was nützen dir 200 kg Kreuzheben, wenn du dir im Stehen die Schuhe nicht anziehen kannst, da deine Oberschenkelrückseite dicht macht, wenn du dich zum Boden beugen willst?

Ihr merkt vielleicht schon, worauf ich hinaus möchte. Über viele Jahre stand immer nur Muskelaufbau an erster Stelle. Schaut man sich die Bodybuilder aus den 80er und 90er Jahren heutzutage an, sind viele von ihnen komplette Wracks. Aber auch viele Hobbysportler mit wenig sportlicher Belastung in ihrem Alltag klagen häufig über Schmerzen und eingeschränkte Bewegungen. Denn ebenso wie unsere Muskulatur, können wir auch unsere Bänder und Sehnen trainieren. Wir können unsere Bandscheiben, Gelenke und Knorpel so belasten, damit sie sich optimal regenerieren und möglichst lange verletzungsfrei arbeiten können.

Somit sollte man nicht immer nur an den Msukelaufbau denken, sondern auch immer an die Beweglichkeit, Koordination, Gleichgewicht und Stabilität der Gelenke!

Trainiere Ganzheitlich

Zusätzlich zum Muskelaufbautraining sollte auch immer an der Beweglichkeit gearbeitet werden. Ein gut beweglicher Körper kann Übungen sauberer durchführen und somit auch mehr Gewicht bewegen. Zudem sinkt auch das Verletzungsrisiko. Wer sich bei den großen Übungen wie Kniebeugen, Schulterdrücken oder Kreuzheben schwer tut, weil er die korrekte Körperhaltung aufgrund von Schmerzen kaum einnehmen kann, riskiert nicht nur seine Gesundheit (schlechte Körperhaltung während der Ausführung), sondern wird auch nie die volle Wirkung der Übung entfalten können. Mein Rat ist daher: Führt die Übungen immer im größtmöglichen Bewegungsumfang (ROM – Range Of Motion) aus. Dies wirkt sich sehr positiv auf die Beweglichkeit aus.

Bänder, Sehnen, Knochen, Knorpel und Gelenke benötigen deutlich länger als unsere Muskulatur, um sich einer neuen Belastung anzupassen. Daher sollten vor allem Sportanfänger das Gewicht nicht zu schnell steigern. Die Muskulatur wird dies mit Sicherheit bewältigen können. Unsere Bänder und Sehnen aber vielleicht nicht. Und sind diese Strukturen einmal verletzt, benötigen sie mitunter sehr lange (viele Monate oder auch Jahre), um sich komplett zu erholen.

Auch Gleichgewichtsübungen sollten trainiert werden. Diese können sich sehr positiv auf die Stabilität unserer Gelenke auswirken. Wer schon einmal umgeknickt ist oder eine Verletzung der Knie oder Hüfte hatte, kann sich vermutlich noch an viele Balanceübungen erinnern. Und genau diese kleinen Bewegungen können einen sehr großen Einfluss auf die Gesundheit der Gelenke haben. Vorallem Sportarten mit einem großen Anteil an Laufeinheiten oder Sprüngen / Sprints können von diesen Übungen profitieren.

Trainiere deine „Hilfsmuskeln

Für die großen Muskelgruppen gibt es dutzende bekannte Übungen. Klassiker wie Kniebeuge, Liegestütze, Klimmzüge oder Sit-Ups kennt wirklich jeder. Doch damit trainiert man eben überwiegend die großen Muskeln und so manch anderer Muskel bleibt ein wenig auf der Strecke. Ich möchte das am Beispiel der Schulter erklären. Schulterübungen sind schnell gefunden und an allen gängigen Sportgeräten durchführbar (Kurz- und Langhantel, Kettlebell, mit dem eigenen Körpergwicht, an geführten Geräten, Seilzug, Schlingentrainer und viele mehr). Für eine gesunde Schulter und eine gute Körperhaltung sind aber noch andere Faktoren verantwortlich, nämlich die Rotatorenmanschette und die Rhomboiden. Aber auch eine gut gedehnte Brustmuskulatur hat große Auswirkungen auf unsere Schultergesundheit und Stabilität. Auch die Beweglichkeit der Brust- und Halswirbelsäule wirken auf die Schulter ein. Doch genau hier werden die Übungen sehr oft gemieden oder sind nicht bekannt. Hierfür braucht man kein schweres Gewicht und es gibt keine Rekorde die gebrochen werden können. Hierfür braucht es saubere, pingelig akkurat ausgeführte Übungen. Diese mögen vielleicht nicht immer Spaß machen, sind aber für ein verletzungsfreies Training und eine gesunde Schulter nahezu unerlässlich. Und genau diese kleinen Muskelgruppen finden wir auch anderen Stellen unseres Körpers.

Dieses Beispiel gilt somit nicht nur für unsere Schulter. Auch für unsere Knie (Adduktoren, Abduktoren, Schienbeinmuskulatur, wie gut ist die Oberschenkelrückseite gedehnt), einen schmerzfreien Rücken (Hüftbeuger, Bauchmuskulatur, Rückenstrecker, Gesäßmuskeln, Beweglichkeit der Wirbelsäule) und viele andere Gelenke und Bewegungsabläufe. Je besser also diese Strukturen ineinander greifen und trainiert werden, desto leistungsfähiger kann dann auch gearbeitet werden.

Trainiert also nicht nur eure Muskeln, sondern den gesamten Körper! Dehne dich für eine geschmeidige Muskulatur. Arbeite an deiner Beweglichkeit für saubere Übungsausführungen. Trainiere dein Gleichgewicht und die Stabilität deiner Gelenke, schließlich sollen diese ja auch bis ins hohe Alter funktionieren.